ein soziologie.ch blog von ba
Weit weg von zivilisatorischem Ballast, oben in den Tessiner Bergen mit Weitblick, wird jährlich mit Musse und Eifer diskutiert. Schon zweimal war ich beim Soziologielager in Cortoi dabei, wo sich Soziologiestudierende und Anverwandte aus der ganzen Schweiz treffen; 2005 wurden Texte zum Thema Entfremdung gelesen, Marx natürlich, aber noch einiges mehr, bei ausufernden Diskussionen kam man sich näher.
Meine Sorgen, mit mir unbekannten und möglicherweise recht seltsamen Leuten - ist ja schon irgendwie erklärungsbedürftig, anstatt Ferien zu machen soziologische Lektüre besprechen zu wollen - eine Woche auf dem Berg festzusitzen, verflogen rasch, Gitarrenspiel und persönliche Gespräche über die Unmöglichkeit der Liebe wechselten sich ab mit Wanderungen zu Badeorten und köstlichen Mahlzeiten (deren Zubereitung das Holzspalten und das Anfeuern des Ofens voraussetzten und die daher einen festen Programmpunkt bilden). Die Freiwilligkeit der Teilnahme führte selbstredend zu einer gewissen Selbstselektion der Anwesenden, die Wissbegierigkeit und Diskussionswut war enorm, und manchmal glaubte ich mich in eine ziemliche Freakshow verirrt zu haben.
2006 waren mit die Freaks bereits ziemlich ans Herz gewachsen und ich freute mich auf ein Wiedersehen und wortreiche Ruhetage (täglich zweimal warm essen und ausschlafen können Wunder wirken!). Neben den üblichen Gesprächen über urban legends, offene Beziehungen und politischen Widerstand wurden diesmal Texte zu kollektiver Identität gelesen, der praktische Teil der Soziologiewoche bestand in der Gründung des Freistaates Cortoi. Ein hohes Mass an Selbstreflexion bewahrte uns knapp vor einem Absturz à la
» "Die Welle", der Töggelikasten lenkte indes penetrant von der seriösen Lektüre der vorbereiteten Texte ab.
Was dieses Jahr zur
» Soziobiologie auf dem Programm steht, erwarte ich mit Spannung, sind wir - falls ich mir hier mal dreist ein Plural erlauben darf - doch eher (de)konstruktivistischer Natur.
Aber was heisst hier Natur?