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Julia Langegger verbrachte ein Auslandsemester am
Soziologischen Institut der Ludwig-Maximilians- Universität
München.
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Mitten im Studentenviertel Schwabing steht das Soziologische Institutsgebäude
Münchens, ein altes Stadthaus, innen schon fast verslumt, Stühle und Tische lassen
zu wünschen übrig, und der Aufenthaltsraum sieht aus wie das Wohnzimmer einer
70er-Jahre-Hippiekommune. An der Wand hängt ein grosses Plakat mit der Aufschrift:
Helle wird's am Himmel mit einem Satz von Simmel - ein Insider-Bezug auf Professor
Helle, am Institut tätig. Man könnte meinen, hier hausen die wirklich faulen
StudentInnen, die immer bis mittags schlafen und dann erst mal auf Zwischenstation
- bevor sie (vielleicht) etwas arbeiten - im Aufenthaltsraum abhängen, um den Tag
ganz sachte zu beginnen. Von aussen und innen gleichen sich die Institute Münchens
und Zürichs nicht im geringsten. Münchens Institut, ein verstaubtes, altes Haus, in
dem alles knarrt und bröselt, Zürichs Institut, im Vergleich dazu sowohl von aussen
als auch von innen "nigelnagelneu", immer sauber und funktionierend. Na dann viel
Spass, das wird ein lustiges Semester, dachte ich mir.
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Das Soziologiestudium in München ist in seinem Aufbau mit demjenigen in Zürich
vergleichbar, aber um vieles strukturierter, lern- und zielorientierter.
Vorlesungen, in die man auch im übermüdeten und lustlosen Zustand einfach nur
"hineinsitzen und hineinhören" kann, gibt es nicht. Die Veranstaltungsform ist
(neben Methodenkursen und Kolloquien) entweder eine Übung, ein Seminar oder ein
Hauptseminar. In den Übungen wird von allen Teilnehmenden ein Referat mit Handout
erwartet. Zu Ende des Semesters werden Klausuren abgelegt, wobei es sich um ein-
oder zweistündige schriftliche Prüfungen handelt, in denen Fragen zu den
wichtigsten Punkten des Themas beantwortet werden sollen. Erst die so erworbenen
Scheine berechtigen, zusammen mit obligatorischem Besuch von Methoden-Übung I -III
und einer Diplom-Vorprüfung, zum Besuch eines Hauptseminars. Schluss mit lustig.
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"Warum sollte es nicht möglich sein, dass sich Studenten selbst testen?"
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In Professor Becks Seminaren werden die Basistexte immer gelesen - ganz einfach aus
dem Grund, weil er zu Beginn der Stunde eine beliebige Person aus der Menge der
Studentenschaft herauszückt und eine Zusarnmenfassung des zu lesenden Textes in
drei prägnanten Sätzen erwartet. "Von Ihnen möchte ich etwas hören." Die Schlauen
seines Gefolges legen sich eine Antwort schon zum vornherein schriftlich fest, um
einer Blamage aus dem Weg zu gehen. Reaktionen wie "Ich hab den Text nicht gelesen"
oder "Mir fällt nichts ein" werden mit dem Kopfschütteln eines Enttäuschten
geahndet.
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So gut wie nie kommt es im Seminar zu persönlichen oder gar emotionalen Einwürfen,
man würde nur schief angeschaut. Gut tut, wer objektive und möglichst präzise
Diskussionsbeiträge liefert. Nicht, dass sie nicht auch banal sein dürften -aber
doch wissenschaftlich und vor allem soziologischer Natur sollen sie sein.
Gleichzeitig aber aufgepasst mit Worten wie Postmodeme, Szientismus oder
Öko-Marxismus - zu leicht verheddert man sich in solchen Kraftausdrücken, die ja
meistens einen Ausbund an soziologischem Theoriegeflecht implizieren. Becks
Veranstaltungen stellen aber keineswegs den Anspruch, nur hochstehend zu sein und
möglichst von den wirklich "guten" Studentinnen besucht zu werden. Er will den
Dingen in der Diskussion auf den Grund gehen, und das bedingt, sich gründlich ins
Thema einzulesen und während der zweistündigen Seminare keinen Moment lang den
Blick aus dem Fenster schweifen zu lassen. Registriert wird alles - aber es wird
auch viel gescherzt und gelacht. Im Anschluss findet sich immer Zeit, das in der
Diskussion Verschwiegene (ist der Satz im Kopf zurechtgelegt, sind die anderen
schon eine Runde weiter) mit Beck zu besprechen.
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"Die öffentliche Debatte hat sich von den internen Debatten der Universität
vollständig abgelöst."
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Aber was für einer ist Ulrich Beck? Ein von sich eingenommener Schönredner, der in
der Süddeutschen Zeitung seine Risikogesellschafts-Weisheiten zum Besten gibt?
Nein, Starallüren hat er keine, obschon ihm bei solch enormer Medienpräsenz schon
mal Eitelkeit und Hochmut in den Sinn kommen könnten. Er ist einer der wenigen
Professoren (der Welt!), die sich im Anschluss an die Seminare Zeit nehmen, um
geknickten Studierenden ("Das hab ich überhaupt nicht verstanden...") alles
nochmals zu erklären. Er ist einer, der sich einsetzt für diejenigen, die ihm im
Grunde nur Zeit stehlen. Denn es stehen eine Podiumsdiskussion mit Joschka Fischer
im Löwenbräukeller, ein Kongress in Frankfurt, ein Gespräch für die
Studentenzeitung anderen Interviewer wissen will: Hat das Hochschulstudium
überhaupt noch Zukunft? Beck gilt als einer der profiliertesten Zukunftsdenker
Deutschlands, er meint dazu: "Bildung ist nicht etwas, was sich erst nach dem
Studium im Beruf verwirklicht, sondern sie ist im Prozess der Aneignung schon
selbst praktisch präsent. In Zukunft werden immer weniger 'Kopisten' gebraucht, die
abrufbare Patentregeln schematisch anwenden, sondern schöpferische, erfinderische
Menschen, die in höherem Mass bereit sind, Situationen aktiv zu definieren und in
allen Fragen Verantwortung zu übernehmen. So hätten Studenten die Chance, die
lndividualisierung als erfolgreiches Abenteuer zu bestehen."
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"Es geht darum, im Zuge der Individualisierung ein eigenes Leben zu organisieren
in einer Welt voller Widersprüche."
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Ein Semester in München zu verbringen ist eine sehr bereichernde Angelegenheit. Das
Institut für Soziologie kann von mir wärmstens empfohlen werden, es bietet
effizientes Lernen und eine klasse Auswahl an ProfessorInnen. Und mit etwas
Geschick kommt man auch dazu, das Nachtleben wirken zu lassen.
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Die Forschungsschwerpunkte Ulrich Becks sind vor allem Umwelt- und
Techniksoziologie und Theorie der Moderne, daneben Arbeit und Berufe sowie soziale
Ungleichheit. Neben seiner Funktion als Professor ist er Herausgeber der
Zeitschrift "Soziale Welt" und der Edition Zweite Moderne beim Suhrkamp Verlag, er
wirkt als Distinguished Research Professor an der Universität Cardiff/Wales und am
British Journal of Sociology Chair der London School of Economics and Political
Science.
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Risikogesellschaft - Auf dem Weg in eine andere Moderne (1986)
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Gegengifte - Die organisierte Verantwortlichkeit (1988)
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Das ganz normale Chaos der Liebe (1990, zus. mit E.Beck Gernsheim)
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Die Erfindung des Politischen - Zu einer Theorie reflexiver Modernisierung (1993)
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Eigenes Leben -Ausflüge in die unbekannte Gesellschaft, in der wir leben (1995,
zus. mit W .Vossenkuhl, U.E.Ziegler, R.Rautert)
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Reflexive Modernisierung - Eine Debatte (1996, zus. mit A.Giddens, S.Lash)
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Kinder der Freiheit (1997, Hrsg.)
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Was ist Globalisierung? (1997)
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Perspektiven der Weltgesellschaft (1998, Hrsg.)
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Politik der Globalisierung (1998, Hrsg.)
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